Einleitung
Kennst du das? Du fühlst Etwas, aber es gibt kein passendes Wort dafür? Du empfindest Etwas und musst es mühsam umschreiben oder kannst es vielleicht gar nicht in die richtigen Worte fassen? Nicht selten lohnt es sich, über den Tellerrand hinaus zu schauen und den eigenen Wortschatz mit denen anderer Länder zu bereichern. Egal, wie sehr wir uns unterscheiden, wir haben im Kern vieles gemeinsam und oft gibt es in anderen Kulturen ein Wort für dein Gefühl.
Ein deutscher Exportschlager ist beispielsweise das Wort „Mutterseelenallein„, da weltweit Menschen das Gefühl kennen, fühlen und doch kein konkretes Wort dafür haben. Ebenso gehört „Weltschmerz“ zu den Begriffen, die andere Nationen mittlerweile für genau dieses Gefühl nutzen und den deutschen Begriff in ihren Wortschatz aufgenommen haben.
Aber es muss nicht immer nur ein negatives Gefühl sein! „Natsukashi“ beschreibt im japanischen den kurzen Moment, in dem ein Geruch, eine Melodie oder ein Geschmack etwas Nostalgisches in dir auslösen und dir ein wohliges Gefühl schenkt. Du gehst eine Straße entlang und wie aus dem Nichts riechst du ein Herzklopfen, du spürst die Jugendliebe oder eine andere, wunderschöne Erinnerung? Glückwunsch, das ist Natsukashi!
Besonders verbunden fühle ich mich mit dem Wort jap. „Tsundoku„. Es beschreibt den Einkauf von Büchern, die man niemals lesen wird, da sie auf den endlos großen Haufen ungelesener Bücher landen. Story of my life... aber wie ist es mit dir? Darin wiedererkannt? Richtig! Die Beschreibung dieses Wortes müsste uns allen noch aus einem anderen Bereich bekannt sein und vielleicht ist es an der Zeit, dass wir Strickerinnen und Häkler ein besonders schönes Wort für die Garne erfinden, die wir allzu gerne kaufen, aber niemals verarbeiten 🙂
Aber ich schweife schon wieder ab. Heute soll es einzig und allein um ein ganz anderes Wort gehen. Einem Wort, dass ich nicht vermisst habe, bis ich es kannte. Und zwar sprechen wir heute über FOMO.
Was ist Fomo?
Die Fear of missing out (deutsch: Angst, etwas zu verpassen, Akronym FOMO) ist die Befürchtung, dass Informationen, Ereignisse, Erfahrungen oder Entscheidungen, die das eigene Leben verbessern könnten, verpasst werden.[1] Damit einher geht die Angst, dass Entscheidungen bezüglich möglicher Teilnahme bereut werden könnten
Die Angst, etwas zu verpassen. Als Jugendliche war es klassischer Weise die Sorge, bei einer Feier etwas zu verpassen, wenn man gemütlich am Rechner sitzt. Als Erwachsene die Sorge, etwas Spannendes beim Abendessen mit Freunden zu verpassen, wenn man eigentlich entspannt auf der Couch sitzen möchte. Und Gott bewahre, man entscheidet sich dann für die Feier oder das Abendessen – wäre der gemütliche Filmabend nicht doch schöner? Heute, wo es so herbstlich draußen ist und man sich schön unter die Decke lümmeln könnte?
„Immer ist etwas“, wenn man eigentlich gemütlich im Garten Unkraut zupfen oder auf der Couch die Stricknadeln klappern lassen möchte. Während ich mein FOMO handarbeitstechnisch meist unter Kontrolle habe, da ich munter in der Eisdiele, bei Freunden oder auch in der Regionalbahn stricken kann, kann ich es bei einer Aktivität nicht abstellen: Bei der Gartenarbeit.

Der Konflikt
Im Jahr 2024 kündigte es sich schon an und meine alte Gartenleidenschaft entflammte erneut. Ein wenig, dezent und im Hintergrund, aber sie war da. Seit Februar 2025 hat es mich mit voller Wucht erwischt und ich habe den unbedingten Willen entwickelt endlich meine Garten-UFOs zu beenden. Seit Jahren schiebe ich sie vor mich her, verschließe die Augen und meide den Konflikt mit losen Brettern, rostigen Gittern und dem kriechenden Hahnenfuß >>> Quasi meine unvernähten Fäden, nur halt in dreckig.
Was mich plötzlich so motiviert hat? Ganz einfach! Einmal im Jahr bekomme ich diesen Rappel. Es rappelt mich, der Frühling kommt, der Nestbautrieb startet. In diesem Jahr habe ich jedoch etwas Neues ausprobiert. Nachdem das alljährliche Ausmisten im Haushalt funktionierte und ein paar To-Dos von der Liste gestrichen werden konnten, habe ich mich nicht entspannt in den Sessel gesetzt. Oh nein… Ich habe das Gefühl weiter provoziert, gefüttert und durchgezogen. Der Haushalt war nur der Anfang und so mauserte ich mich Stück für Stück vor, kam nach wenigen Wochen beim Garten sowie meiner Gesundheit an und kann Mitte Juli 2025 stolz verkünden: Ich bin noch immer mitten in meinem Frühjahrsputz!
Aber… wo Licht ist, ist auch Schatten. Bei aller Begeisterung für meine erheblichen Fortschritte, die ich in all den Jahren zuvor nicht in diesem Ausmaß geschafft habe, quält mich täglich ein Gedanke: Was ist mit der Handarbeit? Ja, ich entscheide mich täglich bewusst für meinen Rücken, die Beete und die Insekten, aber entscheide mich dabei gleichzeitig gegen meine andere Leidenschaft. Während andere Strickerinnen und Stricker damit wenig Probleme haben und tendenziell im Sommer sowieso weniger frickeln, ist das bei mir leider nicht so. FOMO zerreißt mich quasi innerlich, weil ich gerne alles machen würde und mich doch entscheiden muss. Die Hände können nur eine Schaufel oder eine Häkelnadel halten, beides geht gleichzeitig nicht.
Wahrscheinlich wäre mein FOMO nicht so ausgeprägt, gäbe es nicht diverse Projekte, die ich gerne umsetzen würde. Ich würde gerne meine Kegeltierchen-Reihe weiterführen, die Blogbeiträge dazu schreiben, ich habe Garn für ein neues Sockenmuster bereit liegen, dass ich gerne als Idee umsetzen würde, ich möchte unbedingt meine Frauenhaus-Socken weiterstricken und und und. Ich habe alleine 28 (!) Blogbeiträge in meinen Entwürfen drin, die ich zum Teil schon zur Hälfte fertig geschrieben, aber nicht beendet habe. Ja. Ich leide. Ich verpasse. Gleichzeitig weiß ich aber, dass ich für die aktuellen Gartenarbeiten nur den Sommer habe und mich in den kommenden Jahren darüber freuen werde, wenn ich dieses eine Jahr richtig durchziehe.
Liege ich jetzt auf der Couch, wie ich es heute gemacht habe, kickt mein FOMO in die andere Richtung – „Was hätte ich heute Steine verlegen können. Mensch, am Wochenende regnet es bestimmt, das war eine dumme Entscheidung!“ – Ja, irgendwas ist bekanntlich immer und wie man es macht, macht man es falsch. Deutscher kann man FOMO wohl nicht übersetzen und auf den Punkt bringen.
Die Lösung
Aushalten. FOMO kann man nicht abstellen, man wird sich immer ärgern, man wird immer etwas Anderem nachtrauern und wir wissen doch alle, dass das Gras auf der anderen Seite immer grüner ist. Es gehört zum Leben dazu, sich entscheiden zu müssen, ob man möchte oder nicht. Ich habe für mich entschlossen, die aktuelle Gartenzeit/Handarbeitsfreie Zeit als Investition in die kommenden Jahre zu sehen. Ich habe endlich ein Terrassendach und kann nun wieder im Garten stricken. Das konnte ich ganze drei Jahre nicht und wie schön wird es im kommenden Jahr sein, wenn ich den Fröschen lausche, die Libellen beobachte und den Wind in den Blättern der Bäume sehen kann, während ich an meinem aktuellsten Strickprojekt arbeite? Ok, ich muss noch ein Mäuerchen setzen und eine Sitzgarnitur kaufen, aber DANN…!
Man kann FOMO nicht verhindern, aber vielleicht muss man sich in diesen Momenten die Vorteile der aktuellen Situation ins Bewusstsein rufen. Ich glaube, gerade als Handarbeits-Maus leidet man viel schneller unter FOMO, als so manch eine andere Person. Wartezeit beim Arzt? Verdammt, hätte ich meine Stricksocken mitgenommen! Lange Bahnfahrt? Mensch, ich hätte bestimmt die halbe Mütze fertiggestrickt bekommen! Gemütliches Beisammensein? Ein Häkelmuster ohne Mustersatz hätte doch drin sein können… Wir tun es immer, wir tun es überall.
Nicht selten schreiben Userinnen und User aus Spaß, sie seinen garnsüchtig, „müssten immer etwas in der Hand haben“ und vielleicht ist es gar nicht mal so ungesund, wenn man zu dreckig ist, um den feinen Zwirn zu verarbeiten 🙂
Falls dir mein Blogbeitrag gefallen hat und du ihn mit anderen teilen möchtest, findest du hier meinen Pinterest-Pin:

Dani Herold
17. Juli 2025 — 19:17
Hallo Steffi,
wie schön, so bald wieder von dir zu lesen!
Und ich bin froh, dass du mit dem Blog nur eine Sommerpause einlegt, es ist immer schön, deine Sicht auf die Dinge zu lesen!
Vielen Dank für den Begriff Natsukashi, alleine bei der Erklärung kamen schon viele schöne Erlebnisse zurück ins Gedächtnis.
Und ich denke, du hast den richtigen Weg gefunden, deine Handarbeiten in den nächsten Jahren mit dem Garten zu verbinden, manchmal muss man eben Baustellen zu Ende bringen.
Ganz viel Spaß und Freude im Garten und hoffentlich bald wieder mehr von dir!
Liebe Grüße Dani