Mein Urlaub neigt sich dem Ende zu, und bis vor etwa zehn Minuten war ich eigentlich ganz zufrieden mit meiner „Blog-Bilanz“. Ich habe all die Beiträge geschrieben, die für den Urlaub geplant waren, Pins erstellt, passende Fotos dazu geschossen und wollte mich nun entspannt zurücklehnen …
Doch wie das heute so ist, sobald man sich „entspannt zurücklehnt“, landet man schnell im Internet, scrollt ein bisschen durch Instagram oder stöbert hier und da (Jahaaa, ich habe Garn bestellt…). Obwohl ich selbst gar nicht direkt betroffen bin, bin ich eben über einen Instagram-Post gestolpert, den ich nicht unkommentiert lassen kann. Also… frischen Tee einschenken und ab in die Spätschicht!

Dieses Bild wurde mit der kostenlosen Version von Microsoft Copilot erstellt.
Wer in den letzten Monaten in der bunten DIY-Welt unterwegs war, hat vielerorts einen grauen, schweren Schleier wahrnehmen können. Eröffnete Insolvenzverfahren, Übernahmen durch Konkurrenten und Geschäftsaufgaben sind zwar generell nichts Ungewöhnliches, in der Masse und der Geschwindigkeit ließ es aber so manch einem die Freude an unser aller Hobby trügen.
Während viele ihre Lieblingshandfärberin verloren, wurde Schachenmayr von Hobbii übernommen, was z.B. meine Motivation an den „Kegeltierchen“ zu arbeiten stark ausbremste. Aber auch die Näh-Community hatte mit Verlusten zu kämpfen und große Plattformen, auf denen viele Frickler jahrelang ihre Schnittmuster, Stoffe oder Anleitungen gekauft haben, gerieten ins Wanken. Einige stellten ihren Dienst ein, andere kämpfen gerade jetzt ums Überleben.
Während auf der einen Plattform Schnittmuster aus den Bibliotheken auf ewig verschwanden, erhalten auf anderen Plattformen die Designer bzw. Designerinnen zumindest vorläufig kein Geld mehr. Nicht jede Strickanleitung ist kostenlos, nicht jedes Schnittmuster gratis. In meinen anderen Blogbeiträgen hatte ich bereits mehrfach thematisiert, wie viele Designerinnen und Designer von ihrer Arbeit leben und umso dramatischer, wenn die wichtigen Plattformeinnahmen wie aus dem Nichts eingefroren werden bzw. vllt niemals zur Auszahlung kommen. Ein Thema, dass uns alle betrifft.
Die aktuellen Fälle zeigen nur einmal mehr, wie abhängig wir mittlerweile von diversen Plattformen geworden sind – Käuferinnen genauso wie Anbieter. Umso wichtiger ist es, einen kritischen Blick auf die aktuelle Lage zu werfen, zu überlegen, was solche Plattformen besonders macht und warum es vielleicht doch sinnvoll sein kann, direkt beim Designer zu kaufen. Und ja, ich gebe zu, die anderen Blogbeiträge haben mir mehr Spaß gemacht. Aber bringt ja nichts.
Warum sind Plattformen so beliebt?
Kurz: Weil wir faul geworden sind. Ich bin die Generation, die mit dem Internet aufgewachsen ist und das Internet wiederum mit mir. Wollte ich Informationen haben, musste ich mich über Stunden durch mehrere dutzend Internetseiten durchklicken, um Links zu Internetseiten finden zu können, die mir meine Informationen liefern konnten. Oder auch nicht, das war halt so.
Google, virtuelle Plattformen bzw. Marketplaces wie z.B. Amazon, Makerist und schlussendlich auch KI haben mir diese Arbeit abgenommen. Ich wurde deutlich Such-Fauler, träge und nahm gerne Vieles aus einer Hand. Warum in mehreren Onlineshops anmelden, wenn doch einer alles hat? Die Wohlstandverwahrlosung nahm zu und lange Zeit hinterfragte ich kaum noch, was mich munter anblinkte, mir Rabatte versprach oder einfach nur einen bequemen Zugang zu all den süßen Früchtchen, die mein Herz wollte.
Als Kundin habe ich mittlerweile die Möglichkeit meine gewünschten Informationen, Inspirationen, Strickmuster und Rezepte, so zu erhalten, als würde man mich mit Träubchen füttern. Es ist einfach und bequem geworden. Hunderte, gesichtslose Designer, der direkte Vergleich ihrer Anleitungen, ein Punktesystem, nur ein einziger Warenkorb und eine Rechnung. Grrr, das macht an.
Aber auch für Designerinnen und Designer sind solche Plattformen oft attraktiv. Ein eigener Shop ist nicht notwendig, keine Wartung, keine nervtötende Datenschutzerklärung, es gibt die Reichweite umsonst und insgesamt ist der Verwaltungsaufwand relativ überschaubar. Zahlungsabwicklung, Downloadlinks oder Werbung laufen zentral, von den Plattformen gesteuert. Diese sorgen oft für das nötige Marketing, stellen wöchentlich ihre „Bestseller“ vor, versenden Newsletter, ziehen neue Kundschaft nahezu magisch an und es ist für kleine Labels DIE Chance sichtbar zu werden.
Aber ist die Reichweite wirklich gratis? Nichts im Leben ist umsonst, nicht mal der Tod. Du hast es sicherlich schon geahnt.
Am Tropf der Plattformen
In einem meiner vorherigen Blogbeiträge habe ich dir bereits ETSY als Plattform vorgestellt und warum es durchaus problematisch sein kann, dort als Verkäufer tätig zu sein. Hohe Provisionen, wenig Mitspracherecht, keine eigene Marke und – je nach Plattform – Rabatt-Aktionen-Zwang.
Obwohl sich viele Designer dessen bewusst sind und oft darunter leiden, scheuen sie dennoch das Risiko und den Aufwand, sich komplett von den großen Plattformen loszulösen. Das hat zum einen den Grund, dass manche kein Geld/keine Arbeit investieren möchten bzw. können, zum anderen bleibt immer das ungute Gefühl, dass die Kunden vielleicht doch nicht ganz so treu sind und schlussendlich nicht mitkommen werden. Was bringt die Selbstbestimmung im Herzen, wenn sie nicht auf dem Teller landet? Designerinnen und Designer sehen sich allzu oft in der Sackgasse: Bleiben sie, sind sie der Willkür der Plattformen ausgesetzt und gehen sie, gehen sie ggf. alleine. Und ja, diese Sorge ist nicht unbegründet.
Durch die Masse an Designern, der chaotischen Vermischung der Strick- Häkel- und Nähanleitungen auf den jeweiligen Plattformen, entsteht zwischen Kundinnen und Designern i.d.R. keine wirkliche Bindung mehr, wie es früher im Tante Emma Laden oder auf persönlichen Beepworld-Seiten der Fall war. Ob nun der oder ein anderer Designer eine Plattform verlässt, ist vielen Kunden allzu oft schmerzlich egal. Designerinnen sind meist nur noch eine breiige Masse, in der einzelne Individuen nicht mehr als solche wahrgenommen werden. Und wenn wir ehrlich sind, ist das auf beiden Seiten der Fall, nur das es für die eine Seite größere Auswirkungen hat.
Aber auch wir Kundinnen und Kunden sind abhängig geworden. Wir sind das Bequeme gewohnt und wir wollen unsere Träubchen nicht mehr missen. Wir haben keine Lust mehr, uns die schönsten Anleitungen mühsam im Internet zusammen zu suchen, wenn wir doch die zweitschönsten mit 2 Klicks im Warenkorb haben können. Wir sind Sammler, schon längst keine Jäger mehr.
Grundsätzlich ist an den bequemen Alternativen nichts auszusetzen, solange alle Seiten davon profitieren. Allerdings zeigt sich immer deutlicher, dass meist nur eine Seite profitiert und das sind allzu oft die großen Anbieter. Sicherlich gibt es noch große Plattformen wie Raverly und Co. die auch die nächsten Jahre überdauern können, aber schlussendlich können wir uns nie sicher sein. Denn auch wir Kunden tragen ein Risiko, dass ich gerne anhand von Steam skizzieren möchte.
Steam ist eine riesige Plattform für Computerspiele. Dort findest du alles – von Klassikern wie Age of Mythology bis hin zu brandneuen Indie-Games. Wie bei Ravelry und Co. hast du dort eine prall gefüllte Bibliothek mit all deinen Lieblingsspielen. Früher musste ich jedes Spiel mühsam per Hand installieren, heute läuft alles digital. Kaum Aufwand, kein Kabelsalat, CD-Gewusel und kein kostbarer Moment meiner heiligen Spielzeit geht verloren. Das System funktioniert großartig… bis es das irgendwann vielleicht nicht mehr tut. Sollte Steam eines Tages seinen Dienst einstellen, wäre alles weg. Kein Spielstand, kein Game, nichts, was man in der Hand halten könnte.
Genau so ist es vielen Handarbeitsfans ergangen, als Makerist bekannt gab, den Betrieb aus wirtschaftlichen Gründen einzustellen. Alle gekauften Schnittmuster und digitalen Produkte waren ab einem bestimmten Stichtag nicht mehr verfügbar. Zwar gab es kurzzeitig die Möglichkeit, die Anleitungen herunterzuladen, doch der Zeitraum war knapp bemessen. Wer zu dieser Zeit im Urlaub war oder krank im Bett lag, hatte am Ende viel Geld für nichts ausgegeben. Und mal ehrlich: wie viele Anleitungen kaufen wir „für später“? Richtig: jede Menge. Im aktuellen Fall stehen vor allem die Designerinnen und Designern mit leeren Händen da. Sechs Wochen Plattformeinnahmen wurden seitens des Insolvenzverwalters eingefroren und was damit passiert ist noch vollkommen unklar.
Die Alternative
In meinem Blogbeitrag bzgl. meines Newsletters habe ich darüber geschrieben, dass mir die ständige Abhängigkeit von Plattformen kein gutes Gefühl (mehr) gibt. Ich glaube, wir alle unterschätzen viel zu oft, wie abhängig wir von Bequemlichkeit in unserem Alltag geworden sind und die Plattformen sind nur ein winziges Puzzlestück von vielen.
In meinem Fall ist es vor allem Pinterest, die Plattform, die rund 75% meiner Besucher „ranschafft“. Auch wenn ich nicht von Blogeinnahmen leben muss und daher die Not der Designer nur im Ansatz nachvollziehen kann, kenne ich das Gefühl willkürlichen Änderungen und Maßnahmen ausgeliefert zu sein. Es nervt einfach.
Und ja! Natürlich haben Plattformen weiterhin ihre Daseinsberechtigung, und ja, sie haben uns viel Freude bereitet. Viele kleinere Designerinnen und Designer sind überhaupt erst durch sie bekannt geworden und konnten sich eine treue Stammkundschaft aufbauen, die sie ohne diese Reichweite vielleicht nie erreicht hätten. Es spricht nichts dagegen, sie weiterhin zu nutzen und ich werde es sicherlich auch noch oft genug tun. Aber vielleicht ist jetzt der Moment gekommen, einen Schritt zurück zu den Anfängen zu gehen. Sich ein Stück weit von den großen Plattformen zu lösen und wieder selbstbestimmter durchs Internet zu gehen. Mehr kleine, persönliche Webseiten und inhabergeführte Shops und weniger Abhängigkeit von den großen Aktienkonzernen. Klingt das wirklich sooo falsch?
Viele Designerinnen und Designer sind aktuell frustriert und haben existenzielle Sorgen, die wir als Community ernst nehmen sollten. Sie sind es schließlich, die uns inspirieren und unserer Community immer wieder mit neuen Trends und schönen Handarbeitsstunden versorgen. Wenn möglich, sollte dieses kreative Handwerk direkt und ohne Umwege unterstützt werden. Keine KI der Welt kann sie ersetzen und sollte irgendwann der Punkt kommen, an dem sich designen nicht mehr „lohnt“, werden immer weniger diesen Beruf ausüben wollen.
Ich kaufe schon seit Längerem direkt in den Onlineshops der Designerinnen, wann immer das möglich ist. So habe ich beispielsweise meine Strickanleitungen für den Baby-Beitrag über https://stroff-knitting.de/ gekauft, ohne den Umweg über Raverly zu gehen. Für mich war das die einzig logische Konsequenz, denn wenn ich den Einzelhandel bewusst unterstützen möchte, sollte ich auch online diesen Weg gehen. Meine Garne kaufe ich ebenso gerne bei kleinen Unternehmen, die mit Leidenschaft und Liebe ihr Business führen und ihre Familie ernähren Beispielsweise habe ich zuletzt meine neue Cassata (Lana Grossa) bei Lauras Wollladen gekauft und Zubehör/neue Sockenwolle bei Knitter´s heaven. Gerade Knitter´s Heaven ist einen Besuch wert, denn ihre Bilder sind einfach ein Traum und man erkennt, wie viel Mühe sich beim Aufbau des Online-Shops gegeben wurde.
Kennst du einen Designer oder eine Shop-Inhaberin, die man sich unbedingt merken sollte? Schreib es gerne in den Kommentaren, denn Werbung ist hier ausdrücklich gewünscht 🙂 – Wenn auch unbezahlt, rechtlicher Hinweis und so… 😉
Gabi
11. Oktober 2025 — 13:30
Ach ja, Rellana.de kann ich auch empfehlen, auf der Rückseite der Etiketten ihrer Sockenwolle hat sie gleich noch eine Sockenbanderole versteckt. Nettes Goodie🥰
Gabi
11. Oktober 2025 — 13:28
Über die Schließung von Makerist war ich total schockiert, und dass Schachenmayr von Hobbii übernommen wurde ebenfalls. Auch Weltbild war ja plötzlich von der Bildfläche verschwunden.
So so schade😮💨
Als mein letztes Tablet urplötzlich den Geist aufgab, waren alle meine gespeicherten Pins bei Pinterest und auch meine gekauften bzw heruntergeladenen Anleitungen unwiederbringlich weg. Das war ziemlich übel für mich.
Deshalb bin ich wieder dazu übergegangen, diese ganz analog und auch wenig umweltfreundlich auszudrucken.
Woll.Verine
11. Oktober 2025 — 13:36
Oh Scheiße! Das ist ja mehr als nur ärgerlich.
Man darf ja nicht vergessen, dass du zwar viel Geld investiert, aber auch Zeit reingesteckt hast. Hast du dir einen Ordner angelegt oder wie organisierst du die Anleitungen? Ich bin leider eeextreem schluderig und habe noch keinen guten Weg für mich gefunden.
Gabi
11. Oktober 2025 — 14:37
Ich hab mehrere Ordner, sortiert nach Themen, zb Pullover, Tücher usw. Und einen mit der Aufschrift: Muss ich machen! Der platzt inzwischen schon aus allen Nähten🤭