Ach du Strick!

Das Ribbelmonster

Wie kann es sein, dass ich bereits über so viele gesellschaftliche Themen, Inspirationen und Projekte geschrieben, aber noch nie meinem treuesten Begleiter einen eigenen Beitrag gewidmet habe? WER ist denn bei nahezu jedem Projekt an meiner Seite und verlässt mich nie? WER ist da, wenn ich mich über mich selbst ärgere und gibt diesem Ärger ein Gesicht – sogar einen Namen!? WER hat bei so manch einem Projekt mehr Zeit in Anspruch genommen, als das eigentliche Projekt? Richtig, das Ribbelmonster.

Was bedeutet „Ribbeln“?

Während sich die Garnqualitäten und die UFOs unterscheiden, haben wir alle Eines gemeinsam: Wir ribbeln, ribbeln und ribbeln. Aber was ist „ribbeln“?

Fragst du die Romantiker der Handarbeitsszene werden sie dir sagen, dass sie ihre Arbeit auftrennen und einen Neuanfang starten. Fragst du mich, würde ich sagen, dass ich einen Arsch voll Arbeit kaputt mache und hoffe, dass mich die Motivation nicht verlässt. So unterschiedlich kann das Mindset sein.

Ribbeln bedeutet, dass du deine Strickarbeit von den Stricknadeln gleiten lässt und so lang am Arbeitsfaden ziehst, bis du zur gewünschten Stelle angekommen bist und ja, deine Maschen liegen dabei komplett frei. Es ist quasi eine Operation am offenen Herzen.

Ribbeln kommt vor allem dann zum Einsatz, wenn „Hochstricken“ oder „Zurückstricken“ zu aufwendig oder unmöglich sind. Beim Hochstricken kannst du zwar eine Masche korrigieren, die viele Reihen zuvor falsch gestrickt wurde, allerdings kommt diese Technik gerade bei Ajourmustern eher nicht in Frage, da man meist nur verschlimmbessern kann. Zurückstricken ist die sicherste und bequemste Art, sofern der Rahmen eher überschaubar ist. Wenige Reihen sind schneller zurück gestrickt, als geribbelt. Allerdings wirklich nur bei wenigen Reihen oder, wenn ich wirklich nichts riskieren will.

Ist das immer notwendig?

Natürlich scheiden sich die Geister und es kommt drauf an, weswegen du es in Betracht ziehst. Ist der Strumpf 5cm zu lang gestrickt, wirst du wohl ribbeln müssen. Hast du dagegen einen Fehler entdeckt, lohnt es sich kurz inne zu halten. Stört er dich so sehr, dass du deine letzten Arbeitsstunden in die Tonne schmeißen möchtest? Falls ja, dann tue es! Schönreden hilft nicht, denn du wirst den Fehler immer sehen, egal, was andere dir sagen. Er stört dich nicht? Dann strick oder häkle entspannt weiter.

Geht das mit jedem Garn?

Grundsätzlich ja. Während ich beim Stricken leicht filziges, verzwirnendes Garn extrem nervig finde, kann es beim Ribbeln ein wahrer Segen sein! Gerade die Puno Due ist ein solches Garn und war schon oft bei mir im Einsatz. Ziehst du den Arbeitsfaden und ribbelst deine Arbeit, flutschen die nachfolgenden Maschen in den unteren Reihen nicht gleich mit auf. Seide verhält sich beispielsweise anders und trennt sich bei Weitem schneller auf, als es dir lieb sein kann. Achte daher immer auf das Garn, sofern du vorsichtig deine Maschen – ohne eine der u.g. Techniken – ribbeln möchtest.

Die Techniken

Im Laufe der letzten Jahre habe ich vieles ausprobiert und desto sicherer ich wurde, desto größer wurde mein Sortiment an Ribbel-Möglichkeiten. Heute möchte ich dir ein paar Beispiele an die Hand geben, wir deine Operation am offenen Herzen keine werden muss und wie du deine Arbeit vor dem Ribbeln sichern kannst.

Die Sicherheitsleine / Rettungsleine

Rettungsleinen machen vor allem dann Sinn, wenn du ein Muster strickst und die bis zum aktuellen Stand gestrickten Maschen sichern möchtest. Auf dem Bild kannst du sie anhand der Kontrastfarbe „rot“ erkennen.

Kennengelernt habe ich diese Technik bei meinem ersten Tahiti-KAL (s. Beitrag) und nutze sie noch immer gerne. Ich musste damals SO oft ribbeln und verlor SO oft den Überblick, dass mir jemand das Ziehen einer Leine ans Herz gelegt hat. Danke dafür, wer auch immer du warst 😀 Die Technik ist etwas mühsam, aber pures Gold, wenn du größere Mengen an Reihen oder Runden auftrennen möchtest.

Du brauchst dafür lediglich einen Nylon- oder Kontrastfaden (je nach Garn), eine Stopfnadel, gutes Licht und dein aktuelles Projekt. Fädle dein Garn auf die Stopfnadel und führe die Nadel durch jede einzelne Masche, die aktuell auf deiner Stricknadel liegt. Ja, es kann mühsam sein, aber nimm dir ausreichend Zeit und versuche, die Maschen nicht nur halb zu erwischen.

Solltest du später ribbeln müssen, wird die Leine deine Maschen an der Stelle auffangen und quasi das Seil deiner Rundstricknadel ersetzt haben. Keine Masche geht verloren, du kannst sie bequem mit der Stricknadel aufnehmen. Achte nur darauf, dass die Leine lang genug ist und die sie im Anschluss gut sichern kannst.



Maschen mit der Stricknadel auffangen

Solltest du keine Rettungsleine gezogen haben, kannst du das nachträglich mit einer Stricknadel machen. Diese Technik eignet sich sicherlich nicht ausnahmslos für jedes Muster, aber linke und rechte Maschen sowie Umschläge sind kein Problem.

Du brauchst dafür lediglich dein aktuelles Projekt, gutes Licht, keine allzu zitterige Hand, jede Menge Geduld und eine dünne Stricknadel. Dünnere Stricknadeln helfen dabei, die Maschen leichter auffangen zu können und verziehen deine Arbeit nicht.

Nimm deine zusätzliche Stricknadel und steche Masche für Masche in der Reihe oder Runde auf, in der die Sicherung erfolgen soll. Auf dem Bild steche ich in das rechte Beinchen einer rechten Masche. Lasse dir Zeit, denn das nachträgliche Ziehen ist wirklich anstrengend und man verrutscht allzu schnell zwischen den Reihen. Im Anschluss kannst du deine Arbeit bis zur Stricknadel ribbeln.

Sofern es für diese Technik einen speziellen Namen gibt, lasse es mich gerne wissen 🙂

Übrigens: Ich ziehe meine Rettungsnadel immer eine Reihe/Runde über der eigentlich gewünschten Stelle. Das hat den simplen Hintergrund, dass ich die letzte Reihe/Runde über dem Fehler manuell zurück stricke, um eventuell falsch genommene Maschen oder auch in der Reihe verschobene Maschen zu korrigieren.

Gutes Gelingen! 🙂


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