Ach du Strick!

Der Social-Media-Wahnsinn

Ich war schon immer ein Media-Kind. Ich liebte mein Fernsehgerät, meine Konsolen, war sehr früh im Internet, spielte online und offline Games, besetzte stundenlang irgendwelche Chaträume und spielte die dort angebotenen Minigames. Im Jahr 1986 geboren bin ich genau die Generation, die entweder auf der Straße spielte – was die meisten taten – oder am PC ihre Freizeit verbrachten. Meine Eltern ließen mir meinen Freiraum und viele Jahre später zocke ich zwar weiterhin leidenschaftlich gerne, bin viel im Internet, aber liebe auch meine Offlinezeiten im Garten, mit meinen Tieren oder bei einem guten Wein mit Freunden.

In meinem Leben gab es nie irgendwelche Berührungsängste mit neuen Medien und so probierte ich munter drauf los, wobei ich mich in diesem Artikel natürlich nur auf die handarbeitsrelevanten beschränken möchte und ganz ehrlich? Da gibt es genügend Auswahl!

Social Media bringt unfassbar viele Vorteile mit sich und vielleicht sogar genauso viele Nachteile. Man ist im ständigen Austausch untereinander, arbeitet gemeinschaftlich an Projekten, hilft sich bei Fragen, inspiriert sich, kann sich aber gegenseitig auch verletzen, auf die Nerven gehen und überfordern. Wo Licht ist, ist bekanntlich auch Schatten und die Schatten des Social-Medias reichen weit. Um dem Ganzen Thema etwas Struktur zu geben, möchte ich meine 3 Favoriten vorstellen und etwas näher, unter dem Gesichtspunkt der Handarbeit, beleuchten.



1.) Instagram

Instagram ist gegründet worden, um Bilder von Künstlern zu sehen, kreative Geister zu vereinen und sie für jeden sichtbar zu machen. Es ist ein wundervolles Tool, wenn man seine Arbeiten der Öffentlichkeit zeigen und im gewissen Rahmen mit anderen interagieren möchte.

Die Vorteile von Instagram liegen klar auf der Hand: Man kann nach jedem beliebigen Hashtag suchen und sich die passenden Bilder anzeigen lassen. Ich könnte Stunden damit verbringen, mir Garn- oder Farbkonstellationen eines bestimmten Projektes anzuschauen und zu überlegen, welche Kombination mir am besten gefallen könnte. Neben der Möglichkeit, meine Projekte mit anderen zu teilen und mich darüber mit anderen auszutauschen, kommt mir meine kleine Foto-Leidenschaft zu Gute. Weder bin ich eine begnadete Fotografin, noch habe ich tolles Equipment, aber ich liebe es, meine Stücke in Szene zu setzen und das ein oder andere Foto finde ich auch nach vielen Monaten noch immer schön anzusehen.

Womit wir allerdings auch schon bei den Nachteilen sind. Es gibt Handarbeiter:innen, die sich durch die Fotoqualitäten anderer unter Druck gesetzt fühlen. Das mag man auf dem ersten Blick unwichtig finden, aber wie in vielen anderen Bereichen des Lebens, gibt es eben auch hier die unterschiedlichen Sichtweisen. Vor einigen Monaten war ich stille Mitleserin in einem Post, in dem sich rauskristallsierte, dass eine Person sich schämt, da sie weder gutes Material zu verarbeiten hat, noch davon gute Fotos machen kann. Für mich war es sehr traurig zu lesen, da mir eine „2 Klassen Gesellschaft“ bei Handarbeitern nie aufgefallen war und ich noch nie das Bedürfnis verspürte, den Preis eines Garns anderer Handarbeiter:innen zu kontrollieren. Allerdings scheint dies ein Problem zu sein und nur, weil ich selbst nicht betroffen bin, heißt es nicht, dass es dieses Problem nicht gibt… womit wir auch schon beim generellen Problem dieser Plattform wären. Likes. Wer freut sich nicht, wenn es viele Likes hagelt, man sich in seiner Arbeit bestätigt fühlt, gewertschätzt und anerkannt? Und wir alle kennen das Gefühl, wenn man in eine Arbeit viel Herzblut gesteckt hat, vielleicht sogar ein perfektes Foto schießen konnte und 80% weniger Likes erhält, als am Tag davor. Es ist nur natürlich, dass man sich fragt, woran es liegt, ob man etwas falsches geschrieben hat oder man selbst an Geschmacksverkalkung leidet. Mittlerweile habe ich für mich (nahezu) komplett verinnerlicht, dass es nicht an mir liegt, sondern an unzähligen Algorithmen, ob überhaupt viele User online waren, es vielleicht gerade ein wichtiges / aktuelles Weltgeschehen gibt und es viele weitere Möglichkeiten gibt, die mehr Likes verhindern. Aber es gibt viele, die sich das (zu) sehr zu Herzen nehmen und dadurch entweder ihr Selbstbewusstsein stärken oder eben auch schwächen. Wenn es nach mir gehen würde, würde Instagram die Funktion komplett abstellen, allerdings gibt es auch einige Dinge, die dagegen sprechen, die ich auch grundsätzlich nachvollziehen kann.

Für mich ist Instagram dennoch ein wichtiger Teil meines Handarbeiterlebens. Zwar erlebe ich durchaus auch eine gewisse Überforderung, da an wirklich jeder (!!!) Ecke ein wundervolles neues Projekt wartet, man das Gefühl hat, nichts verpassen zu dürfen und überall mitmischen zu wollen. Aber man sieht die Personen hinter den Handarbeitsstücken, hinter den KALs, dem Garn und den Posts. Es haben sich mittlerweile viele nette Bekanntschaften entwickelt, man weiß, was diese Personen beruflich machen, ob sie Kinder haben, welche Ernährungsform oder eben auch, ob sie eine Krankheit haben, wo man ab und zu mal nachfragen kann. Es ist bei Weitem persönlicher als Pinterest oder Facebook und wenn man gelernt hat, wie man mit dem Druck umgeht, eine schöne Bereicherung.

>>> Mein Instagram-Account: woll.verine

2.) Facebook

Facebook ist wohl für die meisten User das kleine 1×1 der Social-Media Kanäle und ab und zu treibe ich mich dort auch rum 🙂 Zugegeben, bei Weitem weniger als früher und vor allem, weil ich dort den Kontakt zur Familie und zu Freunden halte, aber einige Handarbeitsgruppen werden mich auch zukünftig nicht los.

Facebook ist vor allem dann praktisch, wenn man einen Post zu einem aktuellen Projekt eröffnet und detaillierte Fragen hat, die man mit Fotos untermauern möchte. Der gute alte „Foren-Charakter“ gewinnt an der Stelle und lässt Instagram nass im Regen stehen, da die geposteten Bilder dort einfach schnell im Nirwana verschwinden. Selbst, wenn man nicht selber fragen möchte, nutze ich oft die Suchfunktion, da irgendwer schon immer eine Frage hatte, die mich selbst beschäftigt.

Facebook ist allerdings bei Weitem toxischer, als Instagram und ich habe schon die wildesten Diskussionen gesehen. Fragestellungen wurden mit fiesen Lästereien über die Rechtschreibung beantwortet, es wurde auf Google verwiesen, man wurde als dumm abgestempelt. Mittlerweile bin ich nur noch in Gruppen mit angenehmer Atmosphäre und habe die Zickentempel vollständig aussortiert. Im Internet wird schnell be- und verurteilt, woran ich mich nicht beteiligen möchte und aktiv von Abstand nehme. Letztendlich geht es nicht um tiefgründige politische Diskussionen, sondern um Handarbeit. Für manche scheint es allerdings ein Sport zu sein, andere klein zu machen, um sich selbst größer zu fühlen, anderen den eigenen Willen aufzuzwingen oder andere Lebenswege zu verurteilen.

Wenn man sich die richtigen Gruppen aussucht (z.B. auch Handfärber-Gruppen), kann man Teil einer netten Communitiy sein. Allerdings muss man bei Facebook oft ein dickeres Fell haben und entweder einfach drüber stehen, cool bleiben oder sich eine andere Gruppe suchen.



3.) Pinterest

Pinterest kennt wohl so ziemlich jeder, selbst, wenn nicht jeder dort einen Account hat. Pinterest ist die hübsche Schwester von Google – eine Suchmaschine, die visuell funktioniert und mittlerweile bei Google ständig unter den ersten Suchergebnissen auftaucht.

Meinen ersten Account habe ich vor einiger Zeit gelöscht, da mit alles zu kompliziert erschien und ich ein wenig verloren im Bilderraum war. Wie eingangs beschrieben, habe ich allerdings relativ wenig Berührungsängste und möchte Dinge verstehen und probiere es aus. So erstellte ich mir Ende Mai 2021 einen neuen Account und wollte einfach nur ein paar Bildchen meiner Blogbeiträge hochladen und den ein oder anderen Leser gewinnen.

Ja, was soll ich sagen… ich bin ein wenig verliebt! Pinterest vereint viele Dinge, die ich wirklich von Herzen gerne mache. Schon früher habe ich leidenschaftlich gerne stundenlang Bilder bearbeitet und auch wenn ich bei Pinterest relativ beschränkt bin, kann ich diese alte Leidenschaft im kleinen Rahmen aufleben lassen. Jeder Blogbeitrag bekommt mehrere kleine Pins und ich hoffe immer, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist und die barrierefreien Pins (ohne schwer lesbaren Text) anderen wiederum eine Teilhabe ermöglichen. Meine Vorliebe für hübsche Bilder kann ich vollkommen ausleben, da Pinterest, als visuelle Suchmaschine, natürlich viel Futter an Bildmaterial benötigt. Während ich für ein fertiges Paar Socken auf Instagram ein Foto hochlade, maximal eine kleine Collage, kann ich bei Pinterest so viele Bilder dazu zeigen, wie ich möchte. Es ist außerdem die Plattform, in der ich am wenigsten Druck verspüre. Selbst wenn man einen relativ relaxten Umgang mit Instagram entwickelt hat, bleibt dennoch ab und zu das Gefühl zurück, dass man abliefern muss. Bei Pinterest muss man zwar auch Content produzieren (wenn man einen offiziellen Account haben möchte), aber es geht mir insgesamt leichter von der Hand. Außerdem ist es kein Social-Media im klassischen Sinn, bei dem man mit xy interagieren und reagieren muss, sondern kann einfach „sein Ding“ machen, ohne eine direkte Reaktion zu erhalten.

Natürlich hat Pinterest auch ein paar Nachteile. Wer Reichweite möchte, aber keinen Spaß am pinnen hat, wird nicht glücklich werden und wer viel direkten Kontakt zu seinen Mitmenschen sucht, wird ebenfalls frustriert sein. Aber insgesamt ist das aktuell meine Plattform, die mir am meisten Freude bereitet.

Mein Pinterest-Account: verdrehtemasche.de

>>> Übrigens habe ich meine aktuellen „Kooperationen“ durch Pinterest gefunden! Stand heute ist lediglich das Thema zum gesunden Handarbeiten online, allerdings ist ein weiterer in Arbeit 🙂 Es ist also auch darüber möglich, sich zu connecten.


Im Groben kann ich für mich festhalten, dass Social-Media-Kanäle eine absolute Bereicherung sein können, allerdings auch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sind. Während man sich wunderbar vernetzen, seinen eigenen Horizont erweitern und neue Techniken lernen kann, kann auch schnell ein Punkt der Überforderung erreicht sein. Entweder wird man geflutet von neuen Ideen oder auch unfreundlichen Menschen und man muss lernen, mit beidem umzugehen. Unterm Strich würde ich für meine EIGENTLICHES Hobbie, der Handarbeit, bei Weitem mehr Zeit haben, würde ich aufhören, darüber mit anderen zu schreiben oder auch deren Bilder zu bestaunen. Allerdings gehören für mich mittlerweile Social-Media und Handarbeit untrenntbar zusammen, wenngleich auch ich lernen muss, mehr Abstand zu gewinnen und auch mal das Handy zur Seite zu legen.

Sich von den Ketten befreien?

Es ist schwer, ich von sozialen Netzwerken loszureißen, nicht ständig die neusten Nachrichten zu checken und einfach nur offline zu sein. Ich nutze also an dieser Stelle die Gelegenheit, um ein paar Tipps zu geben. Diese greifen nicht NUR auf das Thema Handarbeit, sondern allgemein auf den Umgang mit dem Internet.

1. ) Es ist richtig und wichtig, informiert zu sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass man 24/7 erreichbar sein oder sofort den neusten Schlagzeilen nachjagen muss. Gerade in unser starkvernetzten Welt kann es sehr belastend sein, wenn man immer über den neusten Stand informiert werden möchte. Aktuell beherrschen Kriege, Waldbrände, Hitzeperioden, Überschwemmungen, Corona mit immer neuen Varianten und Erdbeben unsere Nachrichten und es macht etwas mit einem, wenn man täglich über Stunden Tragödien konsumiert. Ich bin dafür, dass man sich für die Rechte von Minderheiten einsetzt, gegen Missstände auf die Straße geht und seine Stimme nutzt, aber man muss sich auch Pausen gönnen. Die Informationen prasseln ungefiltert auf einen ein, oft unsortiert, vermischt mit Halbwahrheiten und Provokationen. Nur wem es selber gut geht, ist aufnahmefähig und hat die Kraft, sich für andere einzusetzen.

2.) Es ist keine Schwäche, von Social-Media nicht loszukommen! Niemand darf vergessen, dass studierte Psychologen und Verhaltensforscher an den Entwicklungen der Plattformen beteiligt sind. Jedes PING, jedes Herz und sogar die Farben sind bewusst gewählt, haben eine Bedeutung und lösen in unseren Hirnen etwas aus. Unser Belohnungssystem wird dauerhaft getriggert, wir wollen ständig mehr bunte Bilder (Vergleichbar mit bunten Lichtern in Las Vegas) und verbringen Stunden mit sinnlosen Videos/Reels und musikuntermalten Tanzeinlagen.

Was bleibt dem Endverbraucher?

Die folgenden Tipps kommen nicht von mir. Sie kommen von den Programmieren aus dem Silicon Valley. Während unsere Kinder mit bunten Spielchen dauerhaft in den Handybann gezogen werden, herrscht bei den eignen Kindern striktes Handyverbot. In den Kindergärten werden Kinder ohne Technik großgezogen, spannend oder? Also, was nun?

  • Push-Mitteilungen ausstellen! Die wenigsten Nachrichten sind wichtig, aber sie alle lenken ab. Wir verlernen immer mehr, uns voll und ganz auf ein Thema zu fokussieren. Ich kann mich davon nicht freisprechen. Wann habe ich den letzten Film gesehen und weder gestrickt oder zwischendurch mal Instagram gecheckt? Push-Mitteilungen triggern, sie wollen sofort Aufmerksamkeit bekommen und wir geben sie – selbst wenn es nur ein Blick ist. Es spricht nichts dagegen, wenn man ab und zu die Kanäle prüft und schaut, ob was Neues gekommen ist. Aber WIR sollten entscheiden WANN dieser Zeitpunkt ist.
  • Nutze den zweiten Bildschirm! Die meisten Handys haben mehrere Bildschirme, die man nutzen kann. Wer kennt nicht das kleine rote Symbol an den Apps, die einem eine neue Nachricht versprechen und wer kennt es nicht, dass man beim „Blick auf die Uhr“ in einer der Apps landet, weil eine Freundin nur ein „ok“ geantwortet hat? Übrigens: Rot steht für „ACHTUNG – ALARM“ – auch hier ist die Farbe nicht zufällig gewählt und verleitet den Nutzer zum sofortigen Konsumieren der jeweiligen App.
  • Und nun der schwerste Tipp, aber ein überaus wirkungsvoller: Stelle deinen Bildschirm auf schwarz/weiß um! Instagram, Pinterest und Co. LEBEN von bunten Bildern. Bunt gefällt uns, weckt Emotionen, füttert unser Belohnungssystem. Ich verspreche, dass Social-Media in dem Moment seinen Zauber verliert, sobald die Graustufen die Freude rauben. Probieren geht über studieren, ich bin definitiv gescheitert dabei und habe mir nach 3 Tagen die Farben zurückgeholt. Meine Dopamin-Produktion saß weinend in der Ecke und meine Sucht brach durch. Und dennoch möchte ich den Unterschied kurz zeigen.

Mein Instagram-Account mit Farbe

und…

Mein Instagram-Account ohne Farbe

Grandios langweilig oder?

Wie bei allem macht die Dosis das Gift. Natürlich würde ich mich sehr freuen, wenn ihr mir auf Pinterest oder Instagram folgt und keinen Blogartikel verpasst. Ich würde mich aber ebenso freuen, wenn ihr jetzt einfach den PC oder das Handy ausschaltet, einen Regenwurm retten geht oder schallend lachend in eine Pfütze springt.




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