Ach du Strick!

Herr Monk, meine Stricksocken und Ich

Wir alle kennen und die Meisten lieben ihn: Adrian Monk. Bekannt aus der gleichnamigen Serie, ist „der innere Monk“ zum Sinnbild des schonungslosen Antriebs geworden, Fehler oder Ungleichmäßigkeiten sofort zu beseitigen.

In nahezu jeder Handarbeitsgruppe habe ich schon jemanden schreiben sehen, dass „der innere Monk“ diesen oder jenen Umstand nicht ertragen könnte und den Fehler korrigieren bzw. die Arbeit gnaden- und kompromisslos ribbeln würde. Während andere müde über die Fehler hinweglächeln, kommt dies für die Monkisten unter uns nicht in Frage.

Und ja, wahrscheinlich kann man die Handarbeiterinnen und Handarbeiter in zwei Standard-Kommentar-Ausrufe unterteilen, sobald ein Fehler in einem Handarbeitsstück ein paar Reihen weiter auftaucht:

1. „Lass das so, Handarbeit darf Fehler haben“ und
2. „Um Himmels Willen, ribbel! Ich könnte es nicht so lassen, der Fehler würde mich immer verfolgen“

Doch wo reihe ich mich ein? Was ist die gesündere Einstellung und kann man vielleicht sogar beides miteinander vereinen?

Aber der Reihe nach…



Der innere Monk

Der von vielen geliebte Privatdetektiv ist ein absoluter Perfektionist, eine liebenswerte Nervensäge. Alles muss gerade, nichts darf schief oder falsch sein. Kleinigkeiten, die nicht ins Muster passen, fallen sofort negativ auf und fressen sich tief in jede noch so versteckte Hirnfalte. Und so kommt es, dass die Kommentatoren, die mit ihm argumentieren niemals einen Fehler einen Fehler sein lassen würden. Nein, sie sagen ihm den Kampf an und ribbeln, stricken zurück oder frickeln so lange rum, bis dieser behoben ist.

Mein innerer Monk ist leider extrem ausgeprägt und das bringt grundsätzlich viele Vorteile mit sich. Auf kleine Veränderungen kann ich schnell reagieren, mir entgeht im Regelfall nichts und festliche Dekoration und andere Dinge sitzen oft genau so, wie ich es möchte – wie ich es von mir verlange. Meine Gäste lieben es, ich liebe es und schon oft waren meine Feierlichkeiten ein Schmaus für alle Sinne. Obwohl ich vieles chaotisch handhabe, gibt es eine innere Ordnung, die es einzuhalten gilt und die keinen Wiederspruch duldet. Herr Monk treibt mich an, das Beste aus mir und der Situation rauszuholen. Zumindest das, was ich als „das Beste“ empfinde… oder anders: Was er als „das Beste“ empfindet.

Die Kehrseite der Medaille ist, dass genau diese „Qualität“ oft ihren Preis hat. Häufig ärgern mich – wenn auch nur kurz – kleine Versäumnisse meinerseits, ich komme mir schlampig bzw. nachlässig vor. Ich bin tendenziell viel zu streng mit mir selbst und perfektionistisch.

Schon lange habe ich für mich realisiert, dass Perfektionismus nur auf dem ersten Blick schön und erstrebenswert erscheint. Allzu oft schmälert dieser das Selbstbewusstsein, setzt die Erwartungen zu hoch an und man steckt sich selbst zu hohe Ziele, die man nur selten erreichen kann. Viele Arbeiten finden kein Ende, weil man immer wieder alles durchdenkt, noch nicht ganz zufrieden ist, hier noch ein Strich zeichnet, dort noch eine Kerze setzt oder doch noch einen Schwung Petersilie auf die Suppe streut und BÄMS, es war doch zu viel Grün – Fck! Schnell verliert man sich im Klein-Klein, weil jedes Teilchen für sich perfekt sein soll, koste es was es wolle.

Es gab eine Zeit, in der ich meine Freunde zu Halloween-Feiern in meinen Garten einlud, bis ich dieser Aufgabe nicht mehr gewachsen war. Die Vorbereitung dauerte immer um die 2-3 Monate, da jede Idee/Inspiration umgesetzt werden wollte und ich vieles per DIY selbst basteln musste. In einem Jahr baute ich sogar einen kompletten (wirklich großen!) Dementoren-Kuss-Stand in meinen Garten und mein Freund bekam das passende Kostüm. Ab und zu musste er seine Stellung beziehen und als lebendiges Event herhalten. Die Gäste liebten es, er eher weniger, mir gefiel der Schriftzug nicht – er war nicht perfekt. Es kam, wie es kommen musste und ich konnte mich selbst nicht mehr übertreffen und verlor die Freude am (für mich) schönsten Fest des Jahres. Das Ding an Monkisten und Perfektionisten ist: „Einfach weniger machen“ ist keine Option. Zumindest für meinen Schreihals nicht.

Sicherlich ist nicht jeder Handarbeiter oder jede Handarbeiterin so, dass sie den inneren Monk im kompletten Leben auf ihren Schultern trägt. Aber meine persönliche Erkenntnis erklärt vielleicht, warum ich an diesem Wochenende Monk ein dickes Klebeband über die Kommentarspalte geklebt habe. Mehr dazu gleich.

Die Gegenseite

Die, mir eigentlich viel sympathischere, Gegenseite des Monks ist bei weitem gelassener. Eine linke statt einer rechten Masche in glatt rechts? Naja, juckt nicht. Ein Umschlag im Lochmuster zu wenig? Wem fällts schon auf. Das Garn hat einen Knoten und der Farbverlauf wurde durchbrochen? Ach, es ist doch Handarbeit.

Es gibt sie und es gibt viele. Die Frickler, die alles gelassen sehen und mit einer Entspanntheit arbeiten, wie ich sie gerne hätte. Die Nerven-Felsbrocken in der Brandung bzw. der Welt der Handarbeit. Ihnen können keine Fehler, keine Produktionsmängel und keine Uppsalas etwas anhaben.

Ich liebe sie!

Warum gerade ich? Ganz einfach: Bei anderen Menschen lege ich komplett andere Maßstäbe an, als an mich selbst! Wieso stressen? Für wen? Handarbeit soll doch der Entspannung dienen! Lass den kleinen Fehler – interessiert keinen. Jaja, Wasser predigen, Wein saufen.

Während meine Befriedigung erst einsetzt, wenn ein Strickstück perfekt ist, sind sie es auf jeden Fall. Ist das nicht erstrebenswert? Vor allem, wenn man auch mal „ein Ende finden“ möchte und nicht ständig ribbeln will?

Doch während ich tief im Inneren große Bewunderung hege, möchte ich zumindest anmerken, dass auch diese Bewunderung Grenzen hat. Ich kann sachlich absolut nachvollziehen, warum ein Knoten im Garn ärgerlich ist. Nicht alle Knoten, aber die, die in symmetrischen Farbverläufen lauern und die eigentlich perfekten Socken ruinieren. Im schlimmsten Fall, sollte das Endprodukt sogar ein Geschenk werden – wie ärgerlich. Da dem Gegenüber zu argumentieren, dass es „halt Handarbeit ist“ und sowas dazugehört, würde mich an der Stelle des betroffenen Fricklers auch nerven. Denn ja, auch diese Fälle und Antworten gibt es täglich.

Ich glaube, es kam nur 1x in meinem Social-Media-Leben bisher vor, dass sich ausnahmslos alle einig waren. Eine Person zeigte ein Bild ihres Strickpullovers. Die Raglanlinie war auf einer Vorderseite falsch gesetzt und ihr könnt euch den RVO vorstellen. Es saß nicht und war wirklich nicht schön. Dieser Beitrag war der Einzige, unter dem alle schrieben, dass die Person ribbeln sollte.

Mein aktuelles Fallbeispiel

Auf die Idee zu diesem Beitrag kam ich, als ich die zweite Käppchenferse meines aktuellen Stricksockenprojekts gestrickt habe. Die erste Ferse war gerade beendet, die zweite Fersenwand gestrickt, mit den dazugehörigen verkürzten Reihen.

Um BLOSS die Symmetrie zu ERHALTEN und ja nicht auf einer Seite auch nur eine Masche mehr in den Ecken aufzunehmen, zählte ich vor der seitlichen Maschenaufnahme die kompletten Fersenmaschen.

1x.
2x..
3x…

Ich kam immer wieder auf zu viele Maschen. Da diese Stricksocken mit einer 2,25er Nadel gestrickt wurden, anstatt meiner früher üblichen 2,5er, überlegte ich, ob ich vllt einfach grundsätzlich vier Maschen mehr aufgenommen hatte. Geschwind zählte ich die Maschen der ersten Socke.

1x.
2x..
3x…

Schon bald dämmerte mir, dass ich die zweite Socke mit 4 Maschen zu viel angeschlagen hatte. Oh Gott, wie kann mir das passieren?! 68 statt 64 – ein Elend. Die Symmetrie erhalten? Das verflixte Paar war NIE symmetrisch!

Was tun? Ich litt.

Wie oben beschrieben, gehöre ich im Allgemeinen zur selbstgeißelden Monk-Fraktion. Ich liebe Handarbeiten, sie dürfen aber (im Optimalfall) nicht danach aussehen. Klingt komisch, ist aber so.

Ich ärgerte mich, hatte aber aus unterschiedlichsten Gründen keine Motivation, meine Stricksocke komplett zu ribbeln und neu anzuschlagen. Es ist nicht so, dass ich nicht schon oft mehrere Kilometer Garn geribbelt hätte, aber aktuell habe ich einfach keinen Kopf dafür und möchte rumliegende UFOs nach und nach reduzieren.

Um ehrlich zu sein, habe ich zu lange auf Monk und sein Gesäusel gehört und gerade in den Jahren 2021-2023 zu oft zu intensiv danach gehandelt. Das hat schlussendlich dazu geführt, dass ich an vielen Dingen die Freude verloren und auf vieles keine Lust mehr hatte bzw. sogar noch immer habe. Stricken und Häkeln gehört dazu.

Genervt legte ich die Stricksocken beiseite und überlegte, welche Optionen mir blieben. Einen Wut-Cappuchino später entschloss ich mich, den Fehler einen Fehler sein zu lassen. Einfach so. Was früher niemals möglich gewesen wäre, ist mittlerweile auf dem Weg eine innere Einstellung zu werden.

Nicht nur, dass es unterm Strich tatsächlich absolut egal ist, ob meine Stricksocken eine unterschiedliche Maschenanzahl aufweisen, nein. Seitdem ich den Perfektionismus als – für mich – Last anerkannt habe, nehme ich kleinere Fehler als gegeben an.

Bemerke ich einen Fehler, stelle ich mir folgende Fragen:

  • Stricke ich für jemand anderen?
  • Ist es viel Arbeit, das Stück zu ribbeln bzw. zurück zu stricken?
  • Ist der Fehler sehr auffällig?
  • Ist es für einen Blogbeitrag und ist es notwendig, dass der Fehler behoben wird?
  • Sitzt das Produkt am Ende oder (wie bei der Raglanlinie oben), werde ich es niemals tragen?

Sofern ich nicht für andere stricke und das Produkt am Ende sitzt, versuche ich mittlerweile die Fehler zu lassen und vertraue darauf, sie irgendwann zu vergessen. Noch bin ich nicht so weit, dass es ohne nervöses Augenzucken funktioniert, aber dafür greife ich als Zwischenlösung auf einen altbewährten Trick zurück: Schönreden.

Ein Beispiel am aktuellen Strickprojekt: Die Mehrmaschen betrafen (verrückter Weise) nicht die Fersenwand, wodurch ein guter Sitz gewährleistet ist. Außerdem fiel mir ein, dass mein rechts Bein zur Wasseransammlung neigt und dadurch allabendlich etwas dicker als das Linke ist. Schon oft kam es vor, dass gekaufte Socken einschneiden und es dadurch noch ungemütlicher wird. Mit einem kleinen, eingestickten Hinweis werde ich zukünftig wissen, welche Stricksocke den weiteren Schaft hat und diese bewusst am rechten Fuß tragen.

Als letzten Punkt kann ich behaupten, dass mir doch recht wenig Menschen so genau auf die Füße starren und wenn, ihnen wahrscheinlich die vier Maschen nicht auffallen.

Mit dieser Argumentationskette kann ich leben.



Fazit

Ich liebe die Welt der Handarbeiten dafür, dass sie so viele Menschen, mit unterschiedlichsten Ansichten, verbindet. Egal welche Nationalität, Religion, Geschlecht etc. alle haben dieses eine Thema und können hierzu gemeinschaftlich schöne Momente erleben. Dazu gehört eben auch, dass es die gibt, die Fehler nicht so gerne in ihrem fertigen Stück sehen und die, denen es total egal ist. Das ist wundervoll und sollte genauso bleiben.

Wenn ich ein Fazit unter diesem Blogbeitrag ziehen müsste würde ich vorschlagen, dass wir niemanden versuchen zu ändern. Allzu oft sehe ich in den Kommentarspalten, wie jemand nahezu genötigt wird, einen Fehler zu beheben oder sich rechtfertigen muss, warum er eine wochenlange Arbeit ribbelt. Leben und leben lassen, für alle ist Platz.

Ich habe jedoch für mich entdeckt, dass mir die schmunzelnde „Jaja, mein Monk und ich“ Art zu viele Bauchschmerzen bereitet hat. In den letzten Jahren ist es mir immer und immer wieder aufgefallen, dass ich zwar eigentlich darüber lache und vermeintlich gerne perfektionistisch bin, es aber in zu vielen Lebensbereichen mein Leben bestimmt und mich nötigt Dinge zu tun, die ich eigentlich nicht möchte. Sei es stundenlang etwas zu basteln, mich auf der Arbeit geißeln, wenn ich einen Fehler mache oder eben ribbeln, obwohl ich es wirklich nicht möchte.

Einen inneren Monk zu haben kann eine Bereicherung sein und als Antrieb dienen, das Beste aus einer Sache rauszuholen. Allerdings sollte seine Stimme niemals lauter als deine sein.

Ich werde zukünftig meinen Perfektionismus weiter reduzieren und durch einen gesunden Qualitätsanspruch, mit Platz für „zufällige Änderungen“ (:D) austauschen. Sicherlich wird seine Stimme niemals ganz verstummen, aber ich glaube daran, dass wir zum Teamwork auf Augenhöhe fähig sind.


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