Ach du Strick!

Männer sollten nur gedeckte Farben tragen!

Schwarz, Grautöne, Braun und Weiß sind immer eine gute Grundlage und sollten die einzigen Farben auf der Pallette für „männliche Strick- und Häkelstücke“ sein. Männer sollten keine bunten Töne tragen, die Fröhlichkeit, Lebenslust und Leichtigkeit vermitteln. Pfui! Rote Schals, bunte Restesocken, wie sollte damit der Rüde des Hauses beim Jagen noch ernst genommen werden?!

… hmmm …

Mein heutiges Thema bietet die Grundlage, ganze Kommentarspalten auf Facebook niederbrennen zu lassen oder Familiensonntage zu trügen. Ich bin mir dessen absolut bewusst und habe mich aber dennoch für die Veröffentlichung des Beitrags entschieden. Leben am Limit, bloggen am Limit. Auch wenn ich es – persönlich – nicht nachvollziehen kann, ist es ein absolut emotionales Thema und ich habe mich schon sehr oft durch die Diskussionen gescrollt und das wilde Treiben verfolgt. Mal belustigt, mal schockiert.



Wo genau liegt das Problem?

Vorab: Ich bin keine Sozialpsychologin und kann nur Vermutungen aufstellen. Ich finde allerdings, dass die Reizbarkeit bei diesem Thema schon auffällig ist.

Unsere Welt ist im Umbruch und wo früher noch Graustuften herrschten, gibt es oft nur noch schwarz und weiß. Ich will keinen politischen Blogbeitrag daraus machen, aber du wirst sicher verstehen, was ich damit meine. Eine Uni führt in einer ihrer Kantinen einen vegetarischen Tag ein und Social-Media rastet aus. Die Fackeln werden entfacht, um sich tapfer der Bevormundung entgegenzustellen. Ein Prominenter sagt etwas Falsches und er wird verbal vernichtet. Man könnte meinen, mittlerweile hat sich der Fußball so ausgeweitet, dass sich überall nur noch Ultras gegenüberstehen und entweder man ist auf der einen oder auf der anderen Seite. Der tiefe Keil geht durch alle Schichten, Altersklassen und Familien hindurch. Sei es Corona, Trump, Gendern, Klimawandel – wir sind im ständigen Verteidigungs- und Rechtfertigungs- und auch Angriffsmodus. Keine Frage, nicht jeder Chat, jeder Beitrag in einem Forum oder auf Facebook eskaliert direkt, aber es sind erschreckend viele.

So kommt es, dass auch bei simplen Handarbeitsthemen irgendwelche noch so kleinen Äußerung das Fass zum Überlaufen bringen und sich schnell zwei Fronten verhärten. Oftmals treten das vermeidlich „moderne Denken“ gegen das „Altmodische“ an und es wird auf Teufel komm raus versucht, den anderen von der eigenen Weltansicht zu überzeugen.

Dein Mann trägt keine bunten Bananensocken? Pf, also auch son Möchtegern-Holzfäller mit toxischer Männlichkeit?

Ah, dein Freund trägt bunte Ringelsocken? Aber du bist dir schon sicher, dass er – wie soll ich sagen – auf Frauen steht?„.

Und eine Ergänzung am Rande: Erstaunlich finde ich außerdem, dass mir bei meinem heutigen Blogthema immer wieder ein kleiner Fakt ins Auge springt: Auffallend oft scheinen Handarbeiter:innen die Bestrickten/Behäkelten nicht zu fragen WAS sie denn mögen. Total verrückter Ansatz, ich weiß und ein Blogbeitrag dazu ist bereits in Planung. Oft wird aus der reinen Ich-Perspektive geschrieben oder gegenargumentiert.

Ich kann verstehen, dass es dem ein oder anderen weniger Freude bereitet graue Socken zu stricken. Aber ich finde es wirklich bedenklich, wenn man sich über die Wünsche anderer so hinwegsetzt, NUR weil man es selber gerne anders hätte. Beispielsweise bitten Obdachlosenhilfen immer wieder darum dezente Farben zu verwenden, da viele obdachlose Männer keine bunten Stricksocken möchten. Wenn man sich dann durch die entsprechenden Hashtags scrollt, sieht man immer wieder pinke Socken, die zum Teil sogar Plüschbündchen (!) haben. Ja, ich mache mir mit dieser Aussage vielleicht keine Freunde, aber hier habe ich nicht nur ein mal die Stirn in diese Falten gelegt. Ist es wirklich ein nettes Geschenk, wenn man sich so über die Bedürfnisse Anderer hinwegsetzt? Versteh mich bitte nicht falsch, ich finde es wunderbar und großzügig, wenn man seine Lebenszeit für andere Menschen einsetzt und ihnen eine Freude machen möchte. Aber ich glaube, wir alle vergessen bei unseren Handarbeiten allzu oft darüber nachzudenken, ob es nur UNS gefällt oder auch wirklich unserem Gegenüber. Es ist vollkommen in Ordnung, wenn man Plüsch gerne verarbeitet und damit etwas Gutes tun will, aber bei der breiten Auswahl an gemeinnützigen Projekten findet man dann sicherlich auch ein passenderes. Der kleinste gemeinsame Nenner sollte immer sein, dass beide Seiten Freude an unserer Arbeit haben. Wir beim Herstellen und der/die Beschenkte beim Tragen.

Ich schweife wieder ab… 🙂

Was tun?

Ich habe mir schon unfassbar viele Diskussionen zu unfassbar vielen Themen durchgelesen und es war immer absolut verschwendete Zeit. Sehe ich ein, aber ich bleibe ein Kommentarspalten-Gaffer.

Allerdings weiß ich auch, dass die wenigsten Diskussionen und die damit eingebrachte Energie einen Mehrwert für mein eigenes Leben bringen. Wer meint, in einer Kommentarspalte das Gegenüber von der eigenen Weltanschauung zu überzeugen, hat Social-Media schlichtweg nicht verstanden. Es gibt sie, die Einsichtigen, die tatsächlich sachlich zu überzeugen sind, aber der Anteil ist verschwindend gering. Und was hat man davon, wenn der Heinz aus Buxtehude nun doch ein Paar bunte Stricksocken von seiner Gabi bekommt? Ist es die eigene Energie wert? Meine schon lange nicht mehr, zumal mir die Strickfarben der anderen auch wirklich egal sind. Außer bei wirklich schönem Garn, da frage ich gerne nach 🙂

Also… was tun? Vor allem sollte man immer einmal tief (wirklich tief) durchzuatmen. Durchatmen, bis 10 zählen und überlegen, ob eine Diskussion es wert ist oder nicht. Ich habe schon einige „Kämpfe“ auf mich genommen, allerdings waren es in (fast) allen Fällen ausschließlich Themen, die in meinen Augen menschenverachtend waren und nicht unkommentiert stehen bleiben durften. Ok, an etwas krawalligeren Tagen waren auch deutlich sinnlosere Themen dabei, aber Stricksocken gehörten bisher nicht dazu.

Die absolute Standardunterhaltung eines solchen Beitrags ist:

Person 1: Mein Mann trägt nur schwarze Socken.
Person 2: ICH finde, Männer sollten auch Buntes tragen!
Person 1: Will er aber nicht
Person 3: Boomer
Person 2: Naja, vielleicht weiß er ja nicht, dass er bunte Socken möchte, wenn du ihm nie welche strickst!?
Person 1: Ich habe es mal versucht, er hat sie nicht getragen.
Person 4: Für jemand so Undankbares, würde ich nie wieder was stricken!11einself!
Person 5: Die Farben sind meinem Mann egal. Ich finde es nur wichtig, dass du ein männergeeignetes Muster nimmst. Bloß keine Kaffeebohnen!
Person 1: Also, die Kaffeebohnen gefallen ihm gut.
Person 5: Auch noch inkonsequent. Bah!

… und so weiter, ihr kennt das.

Ich habe für mich selber entschlossen, dass ich entweder nicht kommentiere oder etwas Positives und Freundliches schreibe. Warum nicht ein wenig Feenstaub nach Mordor tragen und die Gemüter wenig besänftigen? Hin und wieder hat diese Taktik gut geholfen, um die Fronten zu beruhigen oder auch den Gesprächsverlauf wieder zum eigentlichen Thema zu bringen. Ja, denn auch das ist ein Nachteil der Diskussion um Garnfarben für Männer: Die eigentliche Frage und das ursprüngliche Anliegen werden oft im Streit vergessen. Im schlimmsten Fall werden Kommentarspalten deaktiviert, da der Autor bzw. die Autorin des Beitrags schlichtweg keine Lust mehr auf Rechtfertigung hat oder aber ein Admin greift ein.



Welche Farben dürfen Männer denn nun tragen?

In meinen Augen darf jeder Mensch auf dieser Welt, absolut jede Farbe zu jeder Zeit tragen. Niemandem gehören Farben und wer sich durch bunte Stricksocken ausdrücken möchte, soll es tun. Wer nur graue/schwarze oder weiße Stricksocken tragen möchte, soll es tun. Fertig. Die Menschen sind so unterschiedlich, warum sollen sie das nicht zeigen dürfen?

Bevor ich Sockenstricken gelernt habe, hat mein Freund ausschließlich gedeckte Strumpffarben getragen. Niemals wäre ihm in den Sinn gekommen, bunte Restesocken anziehen zu wollen oder auch nur verschiedene Grautöne als Streifen. Das änderte sich jedoch schnell, als er meine ersten (tragbaren) Strickergebnisse sah.

Damals arbeitete er in einem Beruf, in dem er regelmäßig Hemden trug und irgendwann strickte ich mir ein Paar, das perfekt zu seinem Lieblingshemd passte. Er schlich auffallen oft um meine Couchhälfte rum, legte diskret sein Hemd dazu, erklärte laut und deutlich, wie GUT beide Stücke zusammenpassen würden und verschwand dann wieder. Botschaft kam an. Da auch seine Stricksocken mit 64 Maschen angeschlagen werden, konnte ich das Paar einfach ein paar cm verlängern und somit schenkte ich ihm sein erstes Paar bunte Stricksocken. Es folgten noch viele Stricksocken und so bekam im Laufe der Zeit jedes Hemd sein passendes Paar Stricksocken. Er liebt noch heute jedes einzelne Sockenpaar und trägt zwar auch „normale“ Socken, aber die bunten eindeutig am liebsten.

Aber selbst wenn er sich damals nicht umentschieden hätte, würde er heute von mir bestrickt werden. Es wären dann nur eben Grau- Braun und vllt. Beigetöne, je nachdem, was ihm am besten gefallen würde. Welch Sinn hätte es, wenn ich zwar Spaß beim Stricken habe, er aber nicht beim Tragen?

Gestrickte Socke aus handgefärbter Merino Wolle Bändchenspitze Lila

Aber es gibt natürlich auch die andere Seite. Mein Papa wünschte sich vor ein paar Jahren ein Paar Stricksocken und bat mich, wirklich nur dezente Farben zu verwenden. Er kennt die Socken meines Freundes und hatte Sorgen, ich würde seine genauso bunt stricken. Ich suchte graues Garn bei einer meiner Handfärberinnen aus und strickte ein schönes, dezentes Paar Stricksocken. Das graue Paar, mit den hauchzarten gelben Sprenkeln gefiel ihm so gut, dass er es vor Stolz bis heute nicht trägt. Wir stecken hier in einem Teufelskreis: Ich stricke keine Weiteren, wenn er das erste Paar nicht trägt und er trägt es nicht, solang er keine Weiteren hat. Da er aber mit einer sehr hohen Schuhgröße gesegnet ist, bleibt es wohl vorläufig sein einziges Paar 😀

Handgestrickte Socke mit handgefärbter Sockenwolle grau grün

Letztendlich sollte es doch egal sein, für welche Farben ein Mann sich entscheidet. Stricken und häkeln wir doch einfach das, was er sich wünscht und wenn es uns nicht gefällt, ist das unser Problem. Weder muss seine Farbauswahl negativ kommentiert noch beurteilt werden. Vielleicht – nur ein Gedanke – ist es auch eine Chance für uns, den eigenen Horizont und die kreative Spielwiese zu erweitern und Neues zu entdecken 🙂

Wobei… es gibt einen Wunsch, den ich kategorisch ablehne:

Die einzige Grenze, die ich ziehe, sind Schwarze Stricksocken. Wenn mein Freund jemals solch ein Paar möchte, soll er entweder selber Stricken lernen oder jemand anderen fragen. Das Garn ist mir einfach zu dunkel 😀


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