Es kam der ernüchternde Zeitpunkt, an dem ich mich vom Stricken verabschiedet hatte und es mit häkeln versuchen wollte. Der Zeitschriftenverlag, der mir zuvor Stricken beibringen wollte und dabei eher gescheitert ist, brachte 2018 eine Zeitung mit dem gleichen Prinzip raus, allerdings mit Häkeln. Da ich bereits in einigen Foren und Gruppen gelesen hatte, dass sehr viele User Häkeln leichter finden als Stricken, wollte ich umsatteln und mich daran versuchen. Der Grundgedanke anhand von kleinen Quadraten etwas zu lernen, fand und finde ich nach wie vor ganz nett und selbst wenn Stricken nicht so klappen wollte, musste es mit Häkeln ja nicht genauso laufen.

Aber sich wieder alleine durchkämpfen? Dazu hatte ich keine große Lust. Nur wie überzeugt man Leute davon, sich ein Hobbie zu suchen, bei dem man erst mal Hirnschmalz investieren muss, bevor es Spass macht? Sofern man überhaupt jemals Spass daran entwickelt. Ich hatte großes Glück, dass mein 30. Geburtstag anstand und meine Freundin scheinbar nicht so 100%ig wusste, was sie mir schenken sollte. Sie bastelte mir einen schönen Gutschein, mit dem ich einen Wunsch frei hatte. Meine Chance! Noch während der Übergabe platze es aus mir raus und ich sagte ihr, dass ich gerne mit ihr zusammen ein Hobbie hätte, durch das wir uns gemeinsam quälen, unsere Beziehung dadurch stärken und mehr Zeit zusammen verbringen würden! Gesagt, getan, sie hielt sich an ihr Angebot (Wobei Begeisterung anders aussieht) und wir kauften uns beide die erste Ausgabe, damit wir direkt jeweils eine Häkelnadel hatten.

In den folgenden Wochen trafen wir uns regelmäßig zum Wuthäkeln, aßen währenddessen unsere Flammkuchen im Stammlokal und waren über jede kleine Errungenschaft dankbar – es war herrlich! Ihr könnt euch vllt. nicht vorstellen, wie schwierig ein Magic Ring und die ersten Stäbchen sein können, wenn man es zuvor nie gezeigt bekommen hat und die fiese kleine Kettmasche einfach nicht beachtet. Jeder Aha-Moment wurde ausgiebig gewürdigt, man konnte sich gegenseitig mitreißen und bei Denkfehlern des anderen helfen. Obwohl meine Freundin am Anfang eher verhalten reagierte, häkelt sie mittlerweile zu jeder Geburt und zu jedem passenden Anlass Tiere, Schühchen oder auch Tücher. Scheinbar hat sie es nicht bereut, das Hobbie damals mit mir gestartet zu haben 🙂

Während man manche Freunde direkt auf Projekte anspricht bzw. ihnen diese aufzwingt, klappt dieses Vorhaben nicht bei jedem. Eine Freundin alleine zu infizieren reichte mir irgendwann nicht mehr aus, zumal ich sie nicht überreden konnte, mit mir stricken zu lernen. Also musste ich meine Fühler noch mals ausstrecken und schauen, welches weitere Opfer sich in meinem unmittelbaren Dunstkreis befindet. So stieß ich auf eine Freundin, bei der simples Aufquatschen so gar nicht funktioniert und zeigte ihr einfach immer wieder meine tollen Bobbel, die kreativen Ergebnisse und was meine nächsten Pläne sind.

Quasi fraß ich mich über Monate in ihr Unterbewusstsein rein und irgendwann wechselte ihre Einstellung vom absoluten Desinteresse auf Garnsammler. Ich muss dazu erwähnen, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits häkelsicher war und zumindest alle Basics soweit drauf hatte, dass die Ergebnisse sich durchaus sehen lassen konnten. Ich kannte ihre Lieblingsfarbe und zeigte ihr vorzugsweise blaue Bobbel, in allen möglichen Farbtönen und Kombinationen. Es kam, wie es kommen musste. Irgendwann bestellte sie sich ihren ersten Bobbel und startete ihr erstes Projekt. Der Point of no return war erreicht, auch für sie gab es kein zurück. Zwar häkelt sie nach wie vor lieber, als das sie strickt, allerdings mischt sich immer mal wieder ein Paar Socken dazwischen.

An dieser Stelle muss ich darauf hinweisen, dass man niemanden zu etwas zwingen sollte. Natürlich ist jeder anders gestrickt (höhö) und hat andere Hobbies. Bei manchen Freunden weiß man aber, dass es für sie etwas tolles sein „könnte“ und da lohnt es sich, einfach mal ein wenig zu nerven 🙂 Funktioniert im übrigen auch mit Kollegen!

PS: Mir ist durchaus bewusst, dass meine Oma es mit mir genauso gemacht hat.